Camino del Norte – First Step


Bei meiner ersten Begegnung mit dem Küstenweg in Nordspanien war ich schon drei Wochen auf verschiedenen Etappen auf dem bergischen-, aragonischen und spanischen Jakobsweg unterwegs. 

War es in den ersten 10 Tagen recht menschenleer, so war der Übergang auf den Camino Francés eine echte Herausforderung und fühlte sich an wie Schlange stehen an der Supermarktkasse.

Auch wenn ich mir in den letzten Jahren angewöhnt habe, mich an der längsten Kassenschlange anzustellen, um mir eine mini Auszeit zu gönnen, war das 2013 auf dem Camino Francés für mich noch nicht akzeptabel.

Ich entschied mich für einen Neuanfang und fuhr mit dem Bus (nicht Pilger Like :-)) zum Küstenweg und wagte dort die Fortsetzung meiner insgesamt siebenwöchigen Pilgerreise.

Hatte ich in den ersten Wochen schon soziale Kontakte geknüpft auf dem Camino Aragonés,so stand ich jetzt wieder vor dem sozialen Neuanfang.

Der Mensch wird am DU zum ICH


Daraus ergab sich meine erste Aufgabe, mit mir selber gut auszukommen. Selbstliebe nenne ich das. Ich wurde in Santander am Camino del Norte (Küstenweg) recht herzlich willkommen geheißen, als ich die Pilgerherberge im Großstadtdschungel von Santander fand.

Erst von zwei norwegischen Pilgerinnen, die mich anlächelten, als ob wir uns schon von einem vorherigen Leben kennen würden und mit denen ich direkt in ein gutes Gespräch kam. Und anschließend mit der Herbergsmama, die mit einer Waschmaschine punktete, die ich prompt nutzte, um alles was ich nicht trug nach dreiwöchiger Pilgerreise mal richtig zu reinigen

Dann zeigte der Jakobsweg sein wahres Gesicht. Ich war allein. So richtig allein. Kein Mensch zu sehen und zu hören. Da es damals noch keine Handys gab, die mit den heutigen vergleichbar wären, machte ich Selfies mit meiner Kamera, um zu prüfen ob ich noch da bin.

„Der Mensch wird am DU zum ICH“, schrieb einst Martin Buber in seiner Schrift ICH und DU  erschienen im Jahr 1923, Religionsphilosoph (1878–1965).

Und wenn das Du fehlt, wer bin Ich dann noch, und wo?

Selbstliebe auf Pilgerwegen


Ich beschloss nicht den beschriebenen Küstenweg zu folgen, sondern alten Trampelfaden unmittelbar an der Küste. Kam nun ein Fluss Delta, so folgte ich dem Fluss landeinwärts, bis ich auf eine Brücke stieß. Diese überquerte ich und ging zurück ans Meer. Die Tagesetappen werden dadurch etwas länger und intensiver und ich war abends sehr erschöpft und sehr zufrieden mit mir. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an das Alleinsein, genoss es später und verliebte mich sogar in diese Zeit mit mir.

Mit der Zeit kamen auch die ersten neuen Kontakte zustande. Ohne dieses Gefühl, es mit mir gut auszuhalten, waren die Kontakte mit anderen vorher recht holprig und unangenehm gewesen.

Ein Paradoxon, würde ich heute sagen. Alleine geht’s besser mit anderen.

Körperweisheit


Ich wanderte durch Höfe mit Kettenhunden, alten Brunnenanlagen, verfallenden Häusern und kleinen Dörfern, die irgendwie aus der Zeit gefallen schienen. Und auch Blicke auf weite, bunte Wiesen mit stolzen Pferden, die dort grasen und ruhten, mit dem Meer als Hintergrund. Mehr als einmal kamen mir die Tränen vor Bewunderung, als ich um eine Kurve oder über ein Berghügel wanderte und auf ein unerwartetes Naturspektakel traf. Wunderbare Fernblicke über das Meer, Wiesen rot mit Mohn, gelb mit Raps, bunt mit wilden Wiesenblumen, alte Höfe, umrandet mit Natursteinmauern. Und immer wieder führte der Weg zu meinen alten, unerledigten Themen. Sie stehen dann vor mir, wie hohe Hauswände, scheinbar unüberwindbar. Und ich ging durch sie hindurch, indem ich mutig in der Stille meiner Emotionen durch sie hindurch ging.

Ich konnte wunderbar auf dem Weg Selbstgespräche führen, mich beklagen, über meine Person, über die anderen oder auch mit Gott reden, ihm Fragen stellen und auf seine Antworten lauschen.

Es ist erstaunlich, wie unsere Körperweisheit auf ein solches Gespräch reagiert. Du weißt genau, welche innere Antwort stimmig für Dich ist. Zieht sich dein Bauch zusammen, ist es ein Gefühl von Stress, vielleicht Unstimmigkeit, wird es dir wohlig prickelnd, warm, fühlst es sich richtig an. Ich erfahre häufig, wie meine offenen Fragen später durch Menschen beantwortet werden, denen ich begegne. Ein wenig abgefahren. Doch die freilassende Fokussierung auf Fragen wirkt.

Loslassen um anzukommen


Zum Ende des Küstenweges wurde ich immer langsamer. Ich wollte auf jeden Fall alleine nach Santiago gehen. Ich genoss die Langsamkeit und den Weg. Und obwohl ich am letzten Tag 27 Kilometer vom Ort Salceda nach  Santiago auf der Uhr hatte, kam es mir vor  wie ein kleiner Spaziergang um den Block.

An diesen Tag blitzen mir die Bilder der vergangen 7 Wochen vor meinem inneren Auge auf.

Ein Erleben, ähnlich wie es Menschen in den letzten Minuten ihres Lebens beschreiben oder in Ausnahmesituationen. Nur das ich einfach ging. Es gibt dort  eine Parallele: Lebensweg = Pilgerweg. Die letzten Kilometer auf meinen Pilgerweg und die letzten Kilometer auf dem Lebensweg. Ich habe viele Menschen tief traurig gesehen, als sie die letzten Kilometer liefen oder auch in dem Film: „Nur die Füße tun mir Leid“, ein älteres holländische Pärchen. Der Mann konnte kaum noch reden vor lauter Traurigkeit, dass sein Jakobsweg bald zu Ende gehen würde.

Viele wissen instinktiv, dass etwas Einmaliges,  Besonderes zu Ende geht. Mit tiefsten Empfindungen, Erlebnissen in einer Umgebung, die Dir  so viel vor Augen führt. Im Alltag schauen wir gerne weg. Vermeidungsstrategien kennen wir alle gut. Hier aber auf dem Jakobsweg, geht das nicht. Du wirst, ähnlich wie in deinen letzten Minuten auf Dich selbst zurückgeworfen, manchmal sehr schonungslos. Aber zu Deinem besten, ohne Anklage, nur mit Erkenntnis und Wissen.

Du wirst  innerlich ganz ruhig. Du nimmst es wahr und bist ganz klar. Vielleicht kann ich es am besten mit Demut beschreiben. Die Erkenntnis, die Dinge so anzunehmen wie sie sind.

Das erlebe ich seitdem sehr oft bei meinen Pilgys. Mir schießt dann zum Ende einer Pilgereise, egal ob bei einer drei Tages oder zwei Wochen Pilgereise durch den Kopf: das Ende dieser Reise sollte doch gefeiert werden! Wir haben es geschafft.

Für viele war es die erste Berührung mit dieser Art des Reisens. Alle haben ihre Grenzen erfahren und erweitert. Und zum Schluß wird alles ganz ruhig. Ich werde ruhig, meine Mitpilger werden ruhig. Wir sind da, angekommen, nicht nur an dem Ziel unseres Pilgerweges, eher bei uns selbst. Und das ist unwiderstehlich warm, berührend, verbindend und prickelnd. Da sein, einfach da sein.

Nebenwirkung


Ich erlebe diese innere Ankommen bei mir und meinen Pilgys wieder und wieder. Und deshalb geht es 2024 wieder auf dem Camino del Norte.

In 10 Tagesetappen zwischen 7 und 22 Kilometern wandern wir von Irun nach Bilbao. Auch auf diesem Weg werde ich Dir Impulse und Begleitung anbieten, um Deinem Thema auf den Grund zu gehen, um es loszulassen und Raum für Neues zu schaffen.

Ich werde die Unterkünfte organisieren, Dir Hilfestellung geben und Dich deinen Weg gehen lassen, wie es für Dich richtig ist.

Er sind meist 4 Personen, die ich begleite. Das ist eine sehr gute Gruppengröße um sich auch untereinander auszutauschen, zu lernen und Zeiten zum reflektieren zu haben.

Wenn Du Dich angesprochen fühlst, auf meine Art der Pilgerreise, melde Dich gerne über das Kontaktformular auf meiner Seite.

Ich freue mich, Dich kennen zu lernen.

Buen Camino

Stefan

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